Stiller Trost by Margaret Millar

Autor:Margaret Millar [Millar, Margaret]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783257607444
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00

{165}14

Garino wartete am Eingang des Apartmenthauses. Alle Lichter brannten, in der Empfangshalle und auf der Veranda, und der Bürgersteig war freigeschaufelt und mit Asche bestreut worden. Sobald er das Auto halten sah, kam er die Stufen herunter und öffnete die Tür für Mrs. Loftus.

»Ah, da sind Sie ja, Victor«, sagte sie, als ob sie überall in der Stadt nach ihm gesucht hätte.

»Da bin ich«, erwiderte Garino, ein wenig grimmig. »Haben Sie gegessen? Es ist neun Uhr.«

»Schon neun? Du liebe Güte. Wo die Tage nur bleiben, frage ich mich. Sie …«

»Haben Sie gegessen?«

»Ich bin nicht hungrig.«

»Ich werde Ihnen etwas hinaufbringen.«

»Ich sagte, ich bin nicht hungrig, Victor.«

»Gut. Kommen Sie, gehen wir hinein.«

Meecham folgte ihnen in die Empfangshalle, das Päckchen Briefe unter dem Arm.

»Dieser liebenswürdige Gentleman hat mich nach Hause gefahren. Er ist ein völlig Fremder für mich. Aber Fremde, denke ich manchmal, sind oft netter als andere Leute.«

»Wo waren Sie?«

»Mein lieber Victor, wo sollte ich sein? Im Busbahnhof {166}natürlich. Wenn man einen Bus nehmen will, geht man zum Busbahnhof.«

»Welchen Bus?«

»Den nach Arbana, um Earl zu besuchen. Ich erhielt heute morgen diesen seltsamen Brief von ihm, und ich kam zu dem Schluß, daß Earl mich braucht. Ein Sohn braucht seine Mutter, wenn er in Schwierigkeiten ist.«

»Was für Schwierigkeiten?«

»Er erwähnte nichts Bestimmtes, aber ich kann zwischen den Zeilen lesen. Es war sonnenklar. Earl braucht mich, sagte ich mir, ich kann ihn nicht im Stich lassen, ich muß zu ihm und ihm helfen. Doch dann …« Ihre Stimme versagte, und Falten der Verwirrung und des Erstaunens traten in ihr Gesicht. »Doch dann bin ich nicht gefahren. Ich bin nicht gefahren.«

»Das ist gut. Es ist besser, wenn Sie hier bleiben.«

»Aber mein Sohn …«

»Earl ist ein guter Junge. Er wird nie in Schwierigkeiten geraten.«

Garino öffnete die Tür zu ihrem Apartment, stieß sie mit dem rechten Ellbogen auf und betätigte mit der linken Hand den Wandschalter, alles mit einer leichten, geübten Bewegung, als ob er dasselbe schon hundertmal gemacht hätte. »Bitte kommen Sie herein, Mr. Meecham.«

Meecham trat ein, schloß aber die Tür nicht hinter sich. Der Geruch in dem kleinen Wohnzimmer war unerträglich. Es war offensichtlich, daß jemand – wahrscheinlich Garino selbst – in aller Eile ein wenig aufgeräumt, aber nicht die Zeit gehabt hatte, den Kamin zu säubern. Er war ein einziger Abfallhaufen: Zigarettenkippen, Zeitungen, Kerngehäuse von Äpfeln, eine schimmelige Apfelsine, ein verschrumpelter Salatkopf, eine leere, vom Feuer {167}geschwärzte Ketchupflasche und eine Fett ausschwitzende Käseecke. Jedes Möbelstück im Raum trug die Narben von Mrs. Loftus’ täglichem Kampf mit sich selbst: Verbrennungen und Flecken, Beulen und Löcher und gebrochene Federn.

»Ach je«, sagte die alte Dame, »ist das schön, zu Hause zu sein. Ich glaube, ich werde uns einen Kaffee machen.«

Sie steuerte auf die Küchentür zu, wobei sie mit beiden Armen die Papiertüte an die Brust drückte, als ob sie mit ihr tanzte.

Garino fing sie an der Tür ab. »Ich werde den Kaffee machen. Sie setzen sich hin.«

»Ich mache ihn selbst. Ich bin durchaus …«

»Geben Sie mir die Flasche«, sagte Garino.

»Welche Flasche?«

»Geben Sie sie mir.«

»Wenn Sie die Hustenmedizin meinen, die ich heute nachmittag gekauft habe … Ich hatte diesen Husten.

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